Die Rosse der Stuten

Ein Gutes hat die dunkle, trübe Jahreszeit dann doch: Stutenbesitzer haben Verschnaufpause, denn ihre Stute zeigt in den Wintermonaten keine oder weniger starke Rossesymptome. Aber warum rosst eine Stute nicht das ganze Jahr über und kommen Pferde nicht in die Wechseljahre? Und was überhaupt geschieht hormonell mit der Stute während der Rossephase, ist ihr – unter Umständen – zickiges Verhalten etwa dadurch zu erklären?

Die typischen Rossesymptome springen jedem Pferdebesitzer ins Auge: Die Stute stellt die Hinterbeine breit, den Schweif zur Seite und blinkt mit der Klitoris. Deren Schleim reflektiert das Licht, die Klitoris „blitzt“. Zudem setzt sie häufiger kleine Mengen Harn ab. In dieser Phase akzeptiert sie den Hengst und ist bereit, sich decken zu lassen. Die Rossesymptome sind aber nicht immer aufdringlich. Manche Stuten rossen still und unbemerkt vor sich hin. Junge Stuten werden mit ca. 1,5 Jahren erstmals rossig. Im Laufe des Lebens kann sich das Rosseverhalten dann durchaus ändern. Ältere Stuten, die schon gefohlt haben, rossen oftmals stärker als junge, eher unerfahrene Stuten. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel.

Mancher Reiter bekommt von der Rosse seines Pferdes kaum etwas mit, anderen ist das Reiten in dieser Zeit fast unmöglich.

Evolutiv ergibt es Sinn, das Fohlen zu einer Jahreszeit in die Welt zu setzen, in der es gute Aufwuchsbedingungen gibt, die sein Überleben und Gedeihen sichern. Diese Voraussetzungen sind im Herbst/Winter nicht gegeben. Bei einer Trächtigkeitsdauer von ca. 11 Monaten liegt der günstige Befruchtungszeitraum der Stute zwischen April und Juni. Die kleinen Fohlen erblicken die Welt dann zur wärmeren Jahreszeit, mit Sonne und nährenden Wiesen. Ausgelöst wird die Rosse durch verschiedene Faktoren: Durch die Tageslichtlänge (Frühjahr), durch die Anwesenheit eines – attraktiven – Hengstes oder hengstigen Wallachs. Auch der Ernährungszustand der Stute spielt eine große Rolle. Die Höhe der Energiezufuhr ist für das Einsetzen der Rosse bedeutsam, genauso auch eine ausreichende Versorgung mit essentiellen Aminosäuren, insbesondere Methionin. Unterernährung dagegen hemmt die Eierstockaktivität. Starken Einfluss auf die Rosse nimmt auch die Haltungsform der Stute. Gruppenhaltung statt Einzelhaft fördert die Rosse. Und das nicht nur in gemischter Haltung, sondern auch in reinen Stutenherden. Die sich ‚in ihren Tagen‘ nicht nur anzicken, sondern auch ungemein zärtlich miteinander umgehen können.

Wird eine Stute in den Wintermonaten im Stall bei künstlichem Licht gehalten, so kann das eine Rosse auslösen: Sie nimmt das Licht über die Haut auf dem Rücken und über den Sehnerv wahr, wodurch der Sexualzyklus aktiviert werden kann. Auch warme Umgebungstemperaturen können den Zyklus stimulieren und die Rosse auslösen. Von manchen Züchtern ist das durchaus so geplant und erwünscht.

Der Sexualzyklus der Stute wird in der Literatur grob in zwei deutlich voneinander unterscheidbare Phasen geteilt: In die Follikelphase (Östrus; eigentliche Rosse) und die Phase der Auflösung des Gelbkörpers (Luteolyse), den Diöstrus. Während der Rosse (Dauer im Durchschnitt 7 Tage) reifen Eizellen in Eierstockfollikeln heran, die Östrogen bilden und den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut unterstützen. Der Eisprung erfolgt meist am zweitletzten oder letzten Tag der Rosse. Die Stute ist jetzt befruchtungsbereit. Im Diöstrus (Dauer ca. 14 Tage) baut sich der Gelbkörper auf, der aus umgebildeten Follikelzellen entsteht und Progesteron produziert. Bei erfolgter Befruchtung und Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut unterdrückt Progesteron die weitere Reifung von Eizellen und den Eisprung. Stattdessen bereitet Progesteron die Gebärmutterschleimhaut für die Aufnahme eines Embryos vor. Allerdings gibt es bei Pferden eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Haussäugetieren: Während der Trächtigkeit kommen durchaus Eisprünge vor, so dass zusätzliche Gelbkörper (und Progesteron) gebildet werden. Wird die Gebärmutterschleimhaut von Stuten dadurch vielleicht besonders gut unterstützt?

Sollte die Stute gedeckt worden sein, beträgt die Tragezeit circa 11 Monate. Bereits 7 bis 11 Tage nach der Geburt kommt es bei der Mutterstute zu einer Rosse, der sogenannten Fohlenrosse, an die sich ab dann ein normaler Sexualzyklus anschließt.

Kommt es nicht zur Befruchtung, so wird der Gelbkörper im Laufe von 14 Tagen zurückgebildet, der Progesteronspiegel sinkt. Der Zyklus beginnt von neuem. In dieser Phase will die Stute nichts wissen vom sexuell interessierten Hengst und wehrt ihn u. U. mit Schlägen ab. Auch ein in der Herde lebender Wallach wird von der Heuraufe weg quer über das Paddock gejagt.

Anders als bei Frauen hat die Gebärmutterschleimhaut der Stute keinen Zyklus! Sie baut sich nur im Falle einer tatsächlichen Befruchtung auf. Und nicht, wie bei der Frau, zur Vorbereitung einer möglichen Befruchtung. Daher haben Stuten keine Monatsblutung.

Kommen Stuten nicht in die Wechseljahre? Diese Frage ist noch ungeklärt. Es wird davon ausgegangen, dass Stuten normalerweise gar nicht das Alter erreichen, in dem die Eierstockfunktionen zum Erliegen kommen. Eventuell handelt es sich dabei ja um einen evolutiven Vorteil. Denn würden Stuten im Laufe ihres (sowieso schon bedeutend kürzeren) Lebens im Vergleich zum Menschen auch noch in die Wechseljahre kommen, so wären ihre Fortpflanzungs- und damit Überlebenschancen erheblich eingeschränkt und die Erhaltung der Arte nicht gesichert.

Fazit: Das zickige Verhalten der Stute nach außen hat also durchaus ‚innere‘ Gründe. Wenn es zu arg wird, kann man den Hormonhaushalt prima mit Mönchspfeffer ausgleichen. Die pfefferartigen Früchte dieses Strauches bringen im Übrigen auch (zu) hengstige Wallache ins Gleichgewicht.